Zwei Töchter im Schnee

Rando Geschewski und Christian Weihrauch
Zeichnungen und Kupferstiche

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Rando Geschewski
1963 geboren in Berlin
1990–1995 Studium Grafik und Malerei an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein Halle bei Prof. Thomas Rug
1991–1994 Lehrauftrag für Naturstudium Burg Giebichenstein
1996–1998 Meisterschüler bei Prof. Werner Liebmann
1996–2001 Lehrauftrag für Naturstudium an der Hochschule Wismar
lebt und arbeitet in Rostock

Christian Weihrauch
1966 geboren in Zella-Mehlis
1989–1995 Studium Grafik und Malerei an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein Halle bei Prof. Thomas Rug
2011- 2014 künstlerischer Mitarbeiter für Malerei und Grafik Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig
seit 2015 Professur für Malerei und Zeichnung an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig
lebt und arbeitet in Leipzig


Rando Geschewskis Bilder verhandeln das Heute, auch wenn sie zuweilen wie von vorgestern aussehen, Geschichte einfrierend und wieder verflüssigend. Das Besondere seiner Kunst liegt in seiner Arbeitsweise begründet. Rando Geschewskis Werke entstehen in einem
offenen Prozess des Auftragens und Abtragens. Der Künstler verwendet halbtransparente Architektenfolien, die eine haptisch interessante, raue Oberfläche haben, welche zuerst
mit Tusche, Feder oder Pinsel und mit Tuschestiften bezeichnet wird. Teilweise kommt auch Ölfarbe zum Einsatz. Danach werden mittels Rasierklinge bestimmte Bildpassagen
wieder abgeschabt. Ähnlich der Sgraffitotechnik zur Bearbeitung von Wandflächen.
Übrig bleibt eine weiße Fläche mit einer Zentralfiguration. Wiederholte lasierende Übermalungen und Schraffuren komprimieren das Ganze.

Vorherrschendes ästhetisches Ordnungsprinzip ist die Collage. Der Künstler übernimmt zeichnend und malend Teile fotografischer Vorlagen, die aus Zeitungen und Zeitschriften stammen, und setzt sie neu zusammen. Was stimmig wirkt, ist das Ergebnis einer langwierigen gedanklichen und handwerklichen Entwicklung. In ihr kreuzt sich Geschewskis Hang zur Freiheit mit der Leitlinie der Compilation. Stets pendelt der Künstler hierbei gekonnt zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit.
Dabei geht es gleichermaßen um das Abbildhafte wie das Zeichnungs- oder Malereispezifische, um das Motiv und genauso um das Bild, verstanden als absoluter Zeichenraum.

Jede Komposition fasziniert den Augensinn durch ihren Furor. Es ist deutlich zu spüren: Rando Geschewski verfügt über Gestaltungskraft. Er ist mit Power bei der Sache. Nach dem Abtauchen in die Linienlabyrinthe und Gegenstandsaufsplitterungen führen ein paar präzis gesetzte Kürzel zurück an die erlösende Oberfläche, wo überraschenderweise seit 2017 Zeichen des modernen Nomadismus und der Stadtflucht aufscheinen, emotional
vereiste Spitzbergen-Architekturen. Aspekte von mobiler Wohnlichkeit und die Orientierungsreste einer Wahrnehmung unter Null verrätseln die Relationen.

Christoph Tannert, »Wunder.Schnee.Danken« 2019


„mein alter Freund“
über meine Zeichnungen

Im Zeichnen bin ich zu Hause; ganz im kleinteiligen Focus der ständig wachsenden Räumlichkeit. Der Aufenthalt im grafischen Gelände ist nur in wachen Setzungen von Punkt, von Linie und Schraffur möglich. Beobachtungen aus der täglichen Sichtbarkeit flankieren meine Motive, manchmal sind sie das Motiv. Das Stillleben als Rechtfertigung zum Betrachten und zum Verwandeln ist in den letzten Jahren wichtiger geworden. Da gäbe es einerseits die bloße Erscheinung der Dinge zu nennen, ihre natürliche gewachsene Form des „so Gewordenen“ mit möglichst lapidarer Anordnung und andererseits die Entdeckung feinster Spuren des Zerfalls ob Stillleben oder allegorisches Erzählen. Die Feinheit der Zeichnung verbindet die Motive.
Ich bin ein Erzähler. Das Fenster zu einer der Wirklichkeiten sollte eigentlich geöffnet bleiben, trotz genauer Betrachtung spielt die flüchtige Begegnung, die sentimentale Erinnerung, die Metapher als Stück vom Alltag den Grundton. So gibt es im Kleinen, am Tisch zu er-zeichnenden Format verschiedene Auswuchtungen in die Bühne der Szenerie, in die Reste von Früchten, deren Gehäuse, Rindenhaut und Schalenfältchen im Dialog stehen zwischen den Großen Formen und den kleinsten Ereignissen.
Die Kupferplatte ist ein glänzender Spiegel.
Früher im Buntstiftgebiet gab es eher kunsthistorische Introspektionen, kristalline Verdichtungen aus mehrdimensionalen Betrachtungen der Meister und des Postkartenarchives, heute sind es Begegnungen im Kupferstich. Das stichelnde Umranken eines Gesichts neben dem Apfelbaum ist genauso präsent wie der Blick ins Kerngehäuse. Meine Figuren scheinen aus den gestochenen Früchten und Zweigen zu stammen. Die Großvaterfigur ist ebenso Freund wie Lehrmeister: der Kupferstich ist Ansporn aus Erinnerung.
Mein alter Freund ist ein Weggefährte, die selbige Zeichnung zeigt den Wanderer im Wald von Linien und Flechten, den Naturburschen und gemächlichen, weil erfahrenen Freund. Der Begleiter löst sich von ihm, der Sterbende als Sinnbild wird durchsichtig und verschwindet im Dickicht.

Christian Weihrauch

Eröffnung
Mittwoch, 26. Oktober 2022 um 19:30 Uhr

Kunstgespräch am Sonntag
6. November 2022 um 15 Uhr
mit Rando Geschewski und Christian Weihrauch